DGPPN: Bundesregierung plant massive Verschlechterungen der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen
Veröffentlicht am 12.10.2012 12:36 von Redaktion RehaNews24
Presse-Information
Mit dem PsychiatrieEntgeltgesetz setzte der Bundestag im Sommer den Rahmen für eine neue Finanzierung der Krankenhausbehandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Der Anfang September vorgestellte „Entgeltkatalog“, der die Vergütung der Behandlung definiert, soll ab 01.01.2013 in Kraft treten. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), die Bundesdirektorenkonferenz – Verband leitender Ärztinnen und Ärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie (BDK), der Arbeitskreis der Chefärztinnen und Chefärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland (ACKPA) und die Aktion Psychisch Kranke (APK) weisen darauf hin, dass sich damit die Möglichkeiten zur Behandlung insbesondere sehr schwer kranker Patienten mit psychischen Erkrankungen massiv verschlechtern würde.
Potentiell sind von dieser Maßnahme sehr viele Menschen betroffen: Nach dem jüngsten Gesundheitssurvey des Robert-Koch-Institutes (Bundesgesundheitsbl. 2012 DOI 10.100/7s00103-011-1504-5) leidet mindestens jeder 4. Mann und jede 3. Frau im Laufe des Lebens unter einer ernsthaften psychischen Störung. Insbesondere für diejenigen Mitbürger und Mitbürgerinnen, die unter psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Schizophrenien und Demenzen leiden führt die geplante Änderung der Vergütung zu einer drastischen Ver-schlechterung ihrer Behandlung. Deswegen lehnen sowohl Patienten und deren Familien als auch Fachleute der Psychiatrie und Psychotherapie die Umsetzung des Entgeltkatalogs in dieser Form ab.
Der überstürzt und auf einer völlig unzulänglichen Datenbasis entwickelte „Entgeltkatalog“ setzt Fehlanreize: Belohnt wird, wer Patienten ohne ausreichende Gesundung vorschnell wieder aus dem Krankenhaus entlässt. Eine umfassende ambulante Behandlung ist ebenfalls nicht gesichert. Häufige Rückfälle und Wiederaufnahmen sind vorprogrammiert. Die „Drehtürpsychiatrie“ wird finanziell belohnt, die Krankenhäuser werden ermuntert, vorzugsweise solche Patienten zu behandeln, die weniger schwer krank sind. Persönliches Leid der Betroffenen, Chronifizierung der Erkrankung, extreme Belastung der Familien und Angehörigen sind die Folge.
Dieser geplante Feldversuch auf dem Rücken von Menschen mit psychischen Störungen muss als verwegen gelten: International gibt es nämlich – im Gegensatz zur Einführung des DRG-Systems in der somatischen Medizin vor 10 Jahren – keinerlei Vergleichsmodell, an dem eine Orientierung möglich wäre. Das Bundesgesundheitsministerium hat bisher alle warnenden Hinweise von Patienten-, Angehörigen und Fachverbänden, von den Verbänden der Krankenhausträger und von den Bundesländern ignoriert, sich bei der Entwicklung eines neuen Finanzierungssystems mehr Zeit zu lassen. Nur ein System, welches die Bedürfnisse der Patienten abbildet, ist zukunftsfähig.
Daher appellieren Patienten und Angehörige sowie Fachleute und die Politik, die überstürzte Einführung aufzuschieben. Qualität muss vor Schnelligkeit gehen! Die Gesundheit der Bürger ist zu kostbar, um sie einem sachlich falschen Feldversuch auszusetzen. Der Schutz und die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Menschen mit psychischen Erkrankungen sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die im Sozialgesetzbuch (§ 27 SGB V) festgeschrieben wurde. Um auf die drohende Benachteiligung von psychisch kranken Menschen aufmerksam zu machen und die beschrieben Entwicklung zu verhindern, kündigen Patienten- und Angehörigenverbände, sowie die Fachgesellschaften öffentliche Protestaktionen an, wenn die Bundesregierung die Umsetzung des PsychEntgeltsystems zum 01.01.2013 vorantreibt.
Kontakt:
Prof. Dr. med. Peter Falkai
Präsident DGPPN
Direktor der Psychiatrischen Klinik der
Ludwig-Maximilians-Universität
Nussbaumstr. 7
80336 München
Tel: 0170-4541725
E-Mail: Peter.Falkai[at]med.uni-muenchen.de
Download: pm-2012-10-12-PsychiatrieEntgelt [218 KB; PDF]
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